Klassensieg und Gesamtrang 13 von 68 Startern!
In der Weltmeisterschaft stellt sie den Saisonbeginn dar – in der ADMV-Meisterschaft das Finale: Die Rede ist von der jeweils anspruchsvollsten Rallye des Jahres.
Natürlich kann man die im Umland rund um die beschauliche Spargelstadt Beelitz beheimatete Havellandrallye nicht wirklich mit der in den französischen Seealpen stattfindenden Rallye-Monte Carlo vergleichen, aber so weit her geholt ist der Vergleich dann doch nicht: Hier wie da begann der Rallye-Tag jeweils mit Nachtfrost und Bodennebel, tagsüber schien die Sonne und Abends herrschten wieder Nebel und Temperaturen bis zu -7 Grad. Zudem zählen die permanenten Belagwechsel und unterschiedlichen Gripverhältnisse bis hin zu überfrierender Feuchtigkeit zu den schwierigsten Bedingungen, die man als Rallyefahrer vorfinden kann. Aber der Reihe nach.
Nach dem morgendlichen Besichtigen der insgesamt 10 Wertungsprüfungen, war klar, dass die Havellandrallye wie auch schon im letzten Jahr alles andere als ein gemütlicher Herbstspaziergang werden wird: Schnelle Schotterpassagen wechselten sich ab, mit stark ausgefahrenen Feldwegen und aufbrechenden Plattenstraßen aus Beton. Es galt also nicht nur möglichst schnell zu fahren, sondern vor allem auch auf’s Material zu achten, um das Auto überhaupt ins Ziel zu bringen. Zudem fehlt es mir auf Schotter auch immer noch deutlich an Erfahrung – es sollte erst meine dritte Rallye auf Schotterreifen überhaupt sein.
Und so nahm ich gemeinsam mit Copilot Benjamin Melde die ersten Prüfungen zunächst mit einer Mischung aus sicherer Attacke und defensiver Fahrt unter die Räder, immer mit dem selbst gesteckten Ziel vor Augen, dazuzulernen und sicher ins Ziel zu kommen. Andererseits konnten wir uns auch keine unnötige Trödelei leisten, denn die Klasse war mit insgesamt 10 Fahrzeugen sehr stark besetzt. Neben einem BMW M3 und einem schnell zu erwartendem Opel Astra Diesel war auch die Konkurrenz der zahlreichen Volvos nicht von der Hand zu weisen, welche – einmal in Schwung gekommen- in den zahlreichen extrem rauen Passagen einfach „reinhalten“ konnten, während wir an selbigen eher vorsichtig fahren mussten.
WP1 und 2 liefen vom Fahrgefühl auch nicht ganz rund. Ein kleiner Verbremser hier, eine verfehlte Linie da. Aber die Zeiten waren trotzdem vergleichsweise gut und Schritt für Schritt stellte sich auch das Gefühl für diese besonderen Streckenbedingungen ein. Wir kamen immer besser in Fahrt und konnten zur Halbzeit nach 5 von 10 zu fahrenden WPs tatsächlich auf 5 Klassenbestzeiten zurückblicken, sowie eine Führung mit bereits komfortablen 1:29 Minuten Vorsprung auf den Zweitplatzierten vorweisen.
Dieser Vorsprung sollte sich noch als wichtiger taktischer Vorteil erweisen, wie sich in den folgenden 5, komplett bei Dunkelheit zu fahrenden Prüfungen zeigte: Während die Sicht tagsüber zuweilen durch die starke Blendwirkung der tief stehenden Herbstsonne beeinträchtigt wurde, waren es nun Nebelschwaden, die abschnittsweise über die Prüfungen zogen und die Sichtweite teils innerhalb von Sekundenbruchteilen auf nur noch wenige Meter reduzierten – nur um sie kurze Zeit später ebenso spontan wieder frei zu geben und abermals wieder zu nehmen. „Vorhang auf, Vorhang zu“ – so eilten wir also über die WP6 und 7. Dabei ließen wir es allerdings bereits gezielt etwas ruhiger angehen und gingen im Nebel kein unnötiges Risiko mehr ein. Unseren Vorsprung in der Klasse konnten wir bis hierhin trotzdem auf mittlerweile 1:48 Minuten ausbauen.
Auf WP8 wurde uns – und vielen anderen auch- an einer Unfallstelle die gelbe Flagge gezeigt, weshalb wir unsere Fahrt vorschriftsmäßig langsam bis ins Ziel fortsetzten. WP9 nahmen wir noch einmal in zügig aber defensiver Fahrt unter die Räder – oder wie auch immer man vorsichtige Fahrt bei Dunkelheit mit gemessenen 176 km/h auf einer einspurigen Plattenstraße bezeichnen mag. Auf WP10 hatten wir aufgrund von mehreren Unfällen anderer Teams sogar gleich 2 mal „gelb“. Auch hier waren wir also wieder verpflichtet, langsam bis ins Ziel zu rollen, um dann später eine gerechnete Zeit zu erhalten.
Zu unserer großen Überraschung sollte Letzteres aber nie eintreten: Obwohl wir uns strikt ans aktuelle Regelwerk hielten, und somit laut Datenauswertung insgesamt ca. 1:40-1:50 Minuten verloren, sah die Rallyeleitung keine Möglichkeit, uns und einigen anderen betroffenen Teams eine faire Zeit gemäß DMSB-Bestimmungen zuzuteilen.
Es ist schon zum Schmunzeln, wie einem das Schicksal so spielt: Bei der ersten Rallye der Saison (Werra-Meißner) wurden wir bestraft, weil wir noch nach der bekannten, alten gelb-Regel fuhren und bei der letzten nun, weil wir uns an die neuen FIA/DMSB-Vorschriften hielten. Ein interessanter Abschluss einer sehr schönen und abwechslungsreichen Rallye-Saison.
Den Klassensieg brachten wir jedenfalls trotzdem ins Ziel. Und mit der nächtlichen Siegerehrung nach einem 16 Stunden-Rallyetag ging die Saison 2016 nun in guter Stimmung für uns zu Ende.
Fotos: Simon Stäudten, S&S Pictures, Sascha Graf, WolleDitt, Full Action Media